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Wenn der Magen rumort

Reisedurchfall. Diarrhea. Zu deutsch Diarrhö. Es trifft jeden mal der auf den Subkontinent reist. Ausnahmen haben ihre Kleinkindjahre in Bangladesch verbracht. Und auch die triffts mal.

Zur Vorbeugung empfiehlt sich eine schnelle Angewöhnung an die lokalen Bakterien, aber nur an die guten. Und wo findet man die haufenweise? Im lokalen Joghurt, das nicht wie zuhause steril verpackt im Supermarkt daher kommt, sondern an kleinen Ständen offen verkauft wird, es lagert in grossen, oben offenen Blechbehältern, obendrauf eine Rahmschicht, vergleichbar mit der Schicht auf gekochter Vollmilch, nur besser.

Dave drinking a Lassi

Also bestellen sie sich ein Lassi. Der Joghurtdrink den es jetzt auch im Coop gibt ist sehr schmackhaft, es gibt ihn süss oder salzig und häufig mit Fruchtsäften vermischt. Der im Coop ist auch nicht schlecht, hat aber nichts mehr mit dem Original zu tun das sie sich jetzt bestellen werden. Bestellen sie sich ein Plain Lassi, süss, aber ohne Eis. Sonst sieht ihr Magen neben den guten Bakterien auch gleich eine Menge der schlechten Bakterien. Denn das Eis wird aus Leitungswasser hergestellt. Was bei uns fast Mineralwasserqualität hat, kann in indischen Grossstädten nur durch die Farbe von Kloakenwasser unterschieden werden. Die Bakterienkonzentration ist in etwa dieselbe. Benutzt wird es trotzdem häufig. Zum Früchtewaschen (deshalb sollen sie auch erstmals auf ein Fruchtlassi verzichten) oder zur Eisherstellung. Das Eis kommt in grossen Blöcken daher, es wird offen durch das ganze Quartier transportiert – mit Eis konsumieren sie also nicht nur viele Kolibaktieren sondern auch eine schöne Menge Strassendreck – um dann ihr Lassi von innen zu kühlen und ihren Magen zu verderben.

Eisverkauf auf offener Strasse

Lassi trinken (ohne Eis) und beten. Viel mehr können sie nicht tun. Beten können sie allerdings zu ziemlich vielen, das ist in Indien schön. Überall hat es einen potentiellen Kraftspender. An jeder Strasse steht irgendwo ein heiliger Baum, ein Minitempel, irgendwo hängen ein paar Girlanden und eine Glocke.

Trotzdem. Beten sie so viel sie wollen. Irgendwann holt sie der Durchfall ein. Denn sie können ja nicht nur in einigen wenigen ausgewählten Restaurants essen. Sie können sich nicht überall die Küche ansehen und den Besitzer kennenlernen. Nein, denn sie sind hier zum reisen. Im Zug, im Bus oder auch mal im Flugzeug. Quer durchs ganze Land, von altem Steinhaufen zu altem Steinhaufen. Überall werden sie Fotos machen, in der Sonne rumlaufen, Enge und Gedränge aushalten, dazu ganz viele Schreie die ihnen je nach Ort eine Riksha (fast überall), einen Führer (bei den grossen Attraktionen), eine Bootstour (in Varanasi), Haschisch (auch Varanasi) und ganz viel nutzlose Souvenirs andrehen wollen. Das alles wird sie ermüden und sie werden etwas essen wollen. Nicht im sichersten Restaurant, sondern im nächsten. Das wird eine Zeitlang gutgehen. Aber eines Tages wird es sie erwischen. Ein ungewaschener Apfel, eine schlechtgekochte Mahlzeit, vielleicht auch nur der Stress der die Fremde ihrem Körper zufügt. Erst wird ihr Magen rumoren und dann werden sie viel Zeit auf dem Klo verbringen. Später im Bett. Blöd nur wenn sie am nächsten Tag gleich weiterreisen wollen. Doch immerhin daran hat ihr Hausarzt gedacht, er hat sie vor ihrer Indienreise mit Immodium ausgestattet. Das hilft zwar nicht gegen die Ursache des Durchfalls, aber immerhin lähmt es den Darm, wenn sie Glück haben kommt also nichts mehr unten raus. Wenn sie Pech haben rumort es dann da drin um so fester und wenn es alles wieder raus kann, geht es noch länger bis es wieder gut ist. Trotzdem: für lange Busfahrten ist Immodium wirklich essentiell.

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Und dann? Erst mal werden sie nichts essen, auch gar keinen Hunger haben. Trotzdem sollten sie schnell wieder zu Kräften kommen. Also Reis, Bananen, Cola, Mineralwasser. Wenns dann besser geht, darfs auch etwas Gemüsereis, Joghurt, Brot und Tee sein. Wenns über längere Zeit ganz schlimm ist, dann sollten sie den Salzverlust kompensieren. Elektrolytische Getränke kennt man bei uns nur als Sportlernahrung, in Indien finden sie sie in jeder Apotheke, fragen sie nach O.R.S., es ist billig, gut und gesund. Gewisse Zeitgenossen schreiben O.R.S. auch eine heilende beziehungsweise magenberuhigende Wirkung zu. Nehmen sie es besser früh.

Wenn sie Glück haben ist alles nach drei bis sieben Tagen vorbei und sie können das reisen wieder geniessen. Wenn sie Pech haben waren sie nur für einen Zwei-Wochen-Urlaub hier. Pech haben sie auch wenn es richtig heftige Bauchschmerzen sind, dann besuchen zur Sicherheit mal einen Doktor. Wenn sie Glück haben ist der in ihrem Hotel nur einen Telefonanruf entfernt. Wenn sie dazu noch Fieber haben, müssen sie unbedingt zum Doktor, es könnte ja auch Malaria sein. Sehr wahrscheinlich nehmen sie dann drei, vier Tage Antibiotika, fühlen sich müde oder auch nicht und danach ist ihr Stuhlgang wieder fest und schön und sie fühlen sich fit und munter. Blöd nur, dass mit das Antibiotikum mit all den bösen auch vielen guten Bakterien den Garaus gemacht hat. Mit grösster Wahrscheinlichkeit geht das ganze also in Bälde wieder von vorne los. Dann bleibt ihnen nur noch für den Rest ihrer Reise auf Reis- und Bananenlassidiät zu gehen.

Es muss nicht gleich Antibiotika sein

IspagholZwischen Lassitrinken und Antibiotika gibt es noch eine Reihe nützlicher Helferlein. Zuerstmal weiss jeder Inder dem sie begegnen tausend Speisen die der Verdauung zuträglich sein sollen. Zum Beispiel Fenchelsamen. Die bekommen sie in jedem Restaurant als Atemverbesserer mit der Rechnung, am meisten Wirkung auf ihren Magen haben die wenn sie eine Suppe daraus machen, eine halbe Stunde kochen und trinken. Ispaghol heissen die Samen irgendeiner Pflanze die helfen den Darm zu stopfen und gut für die Magenwände sein sollen. Dann gibt es auch Medikamente die Amöben in ihrem Darm abtöten aber noch keine Antibiotikas sind (z.B. Flagyl oder Lotomil), ob die Wirkung aber weniger zwiespältig ist, sei dahingestellt. Fragen sie ihren Apotheker, der hat alles. Seine Sprache müssen sie nicht sprechen, über den Bauch streichen reicht als Zeichen und sie werden bald irgendein Gegenmittel in den Händen halten.

Wenn bei aller Behandlung immer noch was im Argen ist, ihr Magen rumort es sie aufs Klo drängt, aber es doch nicht so richtig schlimm ist, das aber über Wochen so weitergeht, dann haben sie vielleicht Giardiasis. Ihr Apotheker besitzt wirksame Gegenmittel (Metronidazol, Tinidazol).

Und zum Schluss: Übertreiben sie es nicht mit der Chemie, dann können sie ihre Reise hoffentlich bald wieder geniessen.
Happy travelling!