Posts Tagged ‘Gastfreundschaft’

Zusammenstoss der Kulturen

Eine Gruppe Overlander geht zusammen essen. Man kennt sich nicht so gut, hat sich auf dem Zeltplatz getroffen. Doch alle haben sie gemeinsam, dass sie durch dieselben Länder gereist sind und ähnliche Erlebnisse gemacht haben. Alle können Geschichten von grosser Gastfreundschaft erzählen.

Nach dem Essen kommt die Rechnung. 280 pakistanische Rupien für 6 Personen. Rund 3 Franken, circa 50 Rappen pro Person. Während die einen beginnen zu rechnen wer genau wieviel zu bezahlen hat, lege ich einfach einen 100-Rupien-Schein auf den Teller. Die Lockerheit setzt sich nicht durch, die Erbsenzähler zählen weiter und einer stellt klar, dass er mir noch 25 Rupien schuldet.

Rückblende in die Türkei

Für einen Türken ist es nicht nur selbstverständlich, es ist Pflicht und Ehre seinen Gast vollständig zu umsorgen. Geht man gemeinsam essen kann man zwar versuchen zu bezahlen, aber man sollte nicht hoffen, dass es dann auch klappt. Brüder die gemeinsam essen gehen streiten sich darum wer bezahlen darf, ein liebevolles Ritual. Als Reisender kommt man regelmässig in Genuss dieser Gastfreundschaft. Ich habe nur die wenigsten meiner Tees selber bezahlt. Und wie oft ich zum essen eingeladen wurde, kann ich auch nicht zählen. Da wirkt es beschämend wie abweisend die Einwanderer bei uns manchmal behandelt werden.

In Europa zahlt man getrennt. Ein Ausdruck von Individualität, Selbständigkeit und dem Wunsch möglichst wenig Verpflichtungen zu haben. Füreinander zu zahlen ist Ausdruck einer freundschaftlichen Verpflichtung die für Europäer einengend wirkt. Einengend wirkt es aber nur wenn man immer nachzählt. Verbunden mit Grosszügigkeit ist es befreiend. Und von diesen Grosszügigkeit habe ich hoffentlich etwas gelernt auf meiner Reise. Umso krasser wirkte es auf mich, dass andere da gar nichts gelernt haben.

Ich konnte meinen Bekannten dann zum Glück davon überzeugen, die 25 Rupien zu behalten, sie als Gastfreundschaft zu betrachten und doch ein andermal irgendjemanden einzuladen. Hoffentlich hat er etwas gelernt.

 

Rumänien: In einem Land vor unserer Zeit

Nachdem sich meine Motivationsprobleme in serbischer Gastfreundschaft aulösten und ich eine wunderbare Nacht in der Art Gallery, einem Plätzchen hoch über der Donau verbrachte und dem schönen Donaudurchbruch entlangfuhr (ja, es gibt noch viel zu erzählen…), kam ich nach Rumänien.

In einem Land vor unserer Zeit

Flach – die Hügel sind auf der bulgarischen Seite. Sonnig. Viele kleine Dörfer. Alte Männer die in Gruppen auf den Bänken vor ihren Häusern sitzen. Alte Bauernfrauen mit eingefallenen Gesichtern und Kopftüchern. Man schaut mich oft misstrauisch an. Ich grüsse immer freundlich, hebe die Hand, rufe ‘Salut’, ‘Ciao’ oder ‘Buna’ (Hallo), was dann auch oft erwidert wird. Viele Schlaglöcher. Eine Frau trägt ein Häufchen Abfall auf die Strasse, zündet ein Streichholz und das Häufchen Abfall an. Eine Lehrerin treibt ihre Schüler mit dem Stock ums Schulhaus. Viele Pferdewagen, simple Holzwagen mit Gummipneus auf denen die Leute langsam durch die Landschaft gondeln. Menschen die mit einer Harke ihr Feld bearbeiten. Ich bin ein Alien in einem Land vor unserer Zeit. Auch Handys, Autos und Telefonleitungen. Dafür kein fliessend Wasser, das holt man sich aus dem Ziehbrunnen.

Ein Land der Bettler?

Die erste Nacht verbrachte ich in Turnu-Severin, eine Kleinstadt. Ich gehe am Abend noch raus auf ein Bier, will etwas lokale Luft schnuppern. Auf der Suche nach einem Ort an dem ich mit Einheimischen in Kontakt komme, lasse ich die poshen Restaurants links liegen und lande an einem Ort wo der halbe Liter Bier weniger als einen Euro kostet, dafür werde ich angebettelt von einer Roma. Einen Drink, eine Zigarette, Essen für ihr Kind. Ein junger Mann spricht gut englisch, wir unterhalten uns und er will mir erst Drogen, dann Frauen verkaufen. Das war das erste Mal auf meiner Reise wo ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr einfach überall hin kann. Auch unterwegs werde ich oft angebettelt. Es ist mühsam, ich kam hierher um zu sehen wie die Menschen so sind und bekomme einen schlechten Eindruck.

Ich werde von Polizisten angehalten. Ich müsse aufpassen hier. Die Menschen könnten eine Möglichkeit in mir sehen, nicht alle meinen es gut mit mir. Ah, du campierst wild? (Das ist offiziell verboten, aber das kümmert den Polizisten nicht). Er macht sich Sorgen, dass mich jemand verfolgen und ausrauben könnte, um wilde Hunde und Wildschweine. Die wilden Hunde sind tatsächlich ein Problem. Immer mal wieder werde ich böse angebellt oder verfolgt. Ein Fahrrad weckt natürlich auch ihren Spieltrieb, aber da ich kein Hundekenner bin, mache ich mir schon Sorgen um meine Waden.

Ich halte bei einem Laden um etwas einzukaufen. Draussen sitzen 4 Menschen. Eine Frau macht mir verständlich, dass sie eine Zigarette von mir will. Ein Mann hält mir sein Handy hin und möchte, dass ich es auflade. Manchmal bin ich wirklich froh spreche ich die Sprache nicht, so muss ich mir keine Ausrede suchen wieso ich nichts gebe. Auf der anderen Seite verpasst man so auch den Kontakt zu den netteren Leute die einem ansprechen. Besonders die Kinder sind sehr offen und interessiert. Aber dieses dauernde Gebettel gibt mir den Rest. Ich wollte mir diese neuen EU-Länder mal anschauen und war positiv eingestimmt, aber das hat sich schnell gekehrt.

An einem Tag fahre ich 100 Kilometer, ich kam gut voran - liess auch die meisten Zurufe links liegen - und wollte mir ein Stück Wald suchen um zu campieren. Aber da war einfach kein Wald mehr. Keine Baumgruppe die nicht einsehbar oder hinter einem Sumpf gewesen wäre, kein Feldweg auf dem nicht immer noch Menschen unterwegs waren. Ich wollte wirklich nicht gut sichtbar zelten, also fuhr ich weiter, nochmals 10, 20, 30 Kilometer. Vier zähnefletzende Hunde schiessen aus einer Einfahrt und jagen mich 200 Meter. Ich fahre weiter und weiter. Ich konnte nicht mehr. Am Rand eines Dorfes ist eine Familie ein Haus am bauen, Wände und Dach stehen, sonst ist es noch unfertig. Sie winken und scheinen freundlich. Ich gehe hin und frage ob ich in dem Rohbau übernachten könne. Die Verständigung ist etwas kompliziert, da ich leider kein Rumänisch und kein Italienisch spreche. Sie waren sechs Jahre in Sizilien, scheinbar haben sie dort als Erntehelfer gearbeitet, und mit dem Geld bauen sie sich hier nun ein Haus. Sie sind sehr freundlich, bieten mir zu trinken an und nach zehn Minuten kommt Luci (23, hat schon selber 2 Kinder) auf die Idee, dass ich bei ihnen schlafen könne. Sie machen mir verständlich, dass ich hier in dem Rohbau schlafen könne, oder eine Dusche, Essen und ein Bett haben könne. Waou! Natürlich nehme ich an. Duschen fühlt sich immer grossartig an, speziell wenn man davor mehrere Nächte im Zelt und mehrere Tag auf dem Rad verbrachte. Das Essen bringen sie mir aufs Zimmer und ich schlafe wie ein Stein. Meine Meinung über Rumänien war gemacht, aber was soll ich jetzt noch über die Menschen hier sagen?