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Rumänien 2

Später sah ich auch etwas mehr hinter die Armut und Resignation hier. In den Kleinstädten gibt es viele Industrieruinen. Scheinbar war hier wirtschaftlich mal was los, wahrscheinlich zu kommunistischen Zeiten. Und seit die Industrie weg ist, gibt es keine Möglichkeiten mehr für die Leute hier. Sie bleiben bei ihren Feldern und Harken und Pferdewagen oder sitzen rum, auch Alkoholismus sei verbreitet. Vielleicht macht das etwas verständlicher wieso die erste Reaktion auf einen reichen Fremden die Bettelei ist. Trotzdem bleibt es für mich befremdlich einen Fremden zuerst einmal anzubetteln solange man selber nicht in einer Notsituation ist.

Ach ja, ich bin euch jetzt eine Stunde voraus. :-) Mit der Grenze zu Rumänien habe ich auch die Grenze zu einer anderen Zeitzone überquert. Es fühlt sich komisch an, ich fuhr doch nur ein paar Kilometer und jetzt ändert sich die Zeit. Es fühlt sich an wie ein erneutes umstellen auf Sommerzeit.

Es ist heiss. Oft nachmittags um die 30 Grad Celsius. Eigentlich sollte man dann am Nachmittag nicht fahren, ich tue es noch, schwitze viel und trinke noch viel mehr. Aber wenn das so weitergeht werde ich bald Siesta halten müssen. Ich wünsche mir einen Tag Regen. Am besten einen an dem ich nicht vorhabe zu fahren.

Die rumänische Währung steht zum Schweizer Franken etwas 2.25:1. Man teilt also grob durch 2 und dann hat man den Preis etwa. Als ich in einem Laden bin, 2,3 kleine Dinge einkaufe und man mir einen Taschenrechner unter die Nase hält auf dem 87 steht, durchfährt mich ein kurzer Schock. Zum Glück weiss ich, dass hier vor ein paar Jahren eine Währungsreform war bei der 4 Nullen gestrichen wurden. Ich denke mir schnell, dass es wahrscheinlich 87000 alte Lei heissen soll und man sich damals wohl angewöhnt hat auf die Tausender-Nullen zu verzichten.  Also 8.7 neue Lei. Puh, ich liege richtig.

In Turnu Magurele will ich die Fähre nach Bulgarien nehmen. Im Städtchen sagt man mir, die gebe es nicht. Das sei nur ein Projekt. Die in Zimnicea ebenfalls. Oh Nein, das ist ein Umweg von mindestens 100 Kilometern. Eigentlich nicht viel, ein zusätzlicher Reisetag, aber ich hab keine Lust auf die Nordkurve via Ruse. Ich verfluche die Leute von bikeline die in ihren Karten Fähren eingezeichnet haben die es auf der Strassenkarte nicht gibt, also wahrscheinlich tatsächlich nicht existieren. In Zimnicea angekommen frage ich nochmals nach der Fähre und man sagt mir sie fahre am Samstag um 10. Juhu, eine Nacht campen und mir den Umweg sparen! Um sicherzugehen frage ich nochmals in einer Bank nach. Ich hoffe dort jemanden anzutreffen der des Englischen kundig ist und mir so vielleicht etwas zuverlässigere Informationen geben kann. Ja, die Fähre fährt um 5. Um 5?! Es ist 10 vor und der Hafen mehr als einen Kilometer weg! Ist trete in die Pedalen und produziere nochmals einen kompletten Schweissfilm auf meiner Haut. Radle ich den richtigen Weg? Ein Hafenarbeiter hält mich an, hier könne ich nicht durch. “Wo gehts denn zur Fähre?” “Neinnein.” Sie beginnen zu diskutieren: “Die Fähre ist doch nur für Fussgänger.” “Ja, aber mit dem Fahrrad.” Ich verstehe genug um zu realisieren, dass da eine Fähre ist und ich wohl auf dem richtigen Weg bin, lasse sie stehen und fahre weiter. Wieder ein paar wilde Hunde vor einem Haus mit einem Kaffee trinkenden Zöllner. Der es ganz gemütlich nimmt. Ja, hier sei ich richtig. Ich sehe keine Fährenanlegestation oder ähnliches, nur ein Geländer und dahinter die Donau. Er lässt mich Schweinegrippepapiere ausfüllen (Nein, ich war nicht in Mexiko. Heiss habe ich, aber Fieber ist das nicht.) und kontrolliert meinen Pass 3x. Danach zeigt er mir eine kleine Treppe die runter zum Wasser führt, der Platz füllt sich mit Hafenarbeitern, um Viertel nach 5 können wir auf die Personenfähre, ui war das ein Ding mein Fahrrad da runter zu bugsieren!  Um halb 6 fahren wir. Juhu, ab nach Bulgarien!

 

Rumänien: In einem Land vor unserer Zeit

Nachdem sich meine Motivationsprobleme in serbischer Gastfreundschaft aulösten und ich eine wunderbare Nacht in der Art Gallery, einem Plätzchen hoch über der Donau verbrachte und dem schönen Donaudurchbruch entlangfuhr (ja, es gibt noch viel zu erzählen…), kam ich nach Rumänien.

In einem Land vor unserer Zeit

Flach – die Hügel sind auf der bulgarischen Seite. Sonnig. Viele kleine Dörfer. Alte Männer die in Gruppen auf den Bänken vor ihren Häusern sitzen. Alte Bauernfrauen mit eingefallenen Gesichtern und Kopftüchern. Man schaut mich oft misstrauisch an. Ich grüsse immer freundlich, hebe die Hand, rufe ‘Salut’, ‘Ciao’ oder ‘Buna’ (Hallo), was dann auch oft erwidert wird. Viele Schlaglöcher. Eine Frau trägt ein Häufchen Abfall auf die Strasse, zündet ein Streichholz und das Häufchen Abfall an. Eine Lehrerin treibt ihre Schüler mit dem Stock ums Schulhaus. Viele Pferdewagen, simple Holzwagen mit Gummipneus auf denen die Leute langsam durch die Landschaft gondeln. Menschen die mit einer Harke ihr Feld bearbeiten. Ich bin ein Alien in einem Land vor unserer Zeit. Auch Handys, Autos und Telefonleitungen. Dafür kein fliessend Wasser, das holt man sich aus dem Ziehbrunnen.

Ein Land der Bettler?

Die erste Nacht verbrachte ich in Turnu-Severin, eine Kleinstadt. Ich gehe am Abend noch raus auf ein Bier, will etwas lokale Luft schnuppern. Auf der Suche nach einem Ort an dem ich mit Einheimischen in Kontakt komme, lasse ich die poshen Restaurants links liegen und lande an einem Ort wo der halbe Liter Bier weniger als einen Euro kostet, dafür werde ich angebettelt von einer Roma. Einen Drink, eine Zigarette, Essen für ihr Kind. Ein junger Mann spricht gut englisch, wir unterhalten uns und er will mir erst Drogen, dann Frauen verkaufen. Das war das erste Mal auf meiner Reise wo ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr einfach überall hin kann. Auch unterwegs werde ich oft angebettelt. Es ist mühsam, ich kam hierher um zu sehen wie die Menschen so sind und bekomme einen schlechten Eindruck.

Ich werde von Polizisten angehalten. Ich müsse aufpassen hier. Die Menschen könnten eine Möglichkeit in mir sehen, nicht alle meinen es gut mit mir. Ah, du campierst wild? (Das ist offiziell verboten, aber das kümmert den Polizisten nicht). Er macht sich Sorgen, dass mich jemand verfolgen und ausrauben könnte, um wilde Hunde und Wildschweine. Die wilden Hunde sind tatsächlich ein Problem. Immer mal wieder werde ich böse angebellt oder verfolgt. Ein Fahrrad weckt natürlich auch ihren Spieltrieb, aber da ich kein Hundekenner bin, mache ich mir schon Sorgen um meine Waden.

Ich halte bei einem Laden um etwas einzukaufen. Draussen sitzen 4 Menschen. Eine Frau macht mir verständlich, dass sie eine Zigarette von mir will. Ein Mann hält mir sein Handy hin und möchte, dass ich es auflade. Manchmal bin ich wirklich froh spreche ich die Sprache nicht, so muss ich mir keine Ausrede suchen wieso ich nichts gebe. Auf der anderen Seite verpasst man so auch den Kontakt zu den netteren Leute die einem ansprechen. Besonders die Kinder sind sehr offen und interessiert. Aber dieses dauernde Gebettel gibt mir den Rest. Ich wollte mir diese neuen EU-Länder mal anschauen und war positiv eingestimmt, aber das hat sich schnell gekehrt.

An einem Tag fahre ich 100 Kilometer, ich kam gut voran - liess auch die meisten Zurufe links liegen - und wollte mir ein Stück Wald suchen um zu campieren. Aber da war einfach kein Wald mehr. Keine Baumgruppe die nicht einsehbar oder hinter einem Sumpf gewesen wäre, kein Feldweg auf dem nicht immer noch Menschen unterwegs waren. Ich wollte wirklich nicht gut sichtbar zelten, also fuhr ich weiter, nochmals 10, 20, 30 Kilometer. Vier zähnefletzende Hunde schiessen aus einer Einfahrt und jagen mich 200 Meter. Ich fahre weiter und weiter. Ich konnte nicht mehr. Am Rand eines Dorfes ist eine Familie ein Haus am bauen, Wände und Dach stehen, sonst ist es noch unfertig. Sie winken und scheinen freundlich. Ich gehe hin und frage ob ich in dem Rohbau übernachten könne. Die Verständigung ist etwas kompliziert, da ich leider kein Rumänisch und kein Italienisch spreche. Sie waren sechs Jahre in Sizilien, scheinbar haben sie dort als Erntehelfer gearbeitet, und mit dem Geld bauen sie sich hier nun ein Haus. Sie sind sehr freundlich, bieten mir zu trinken an und nach zehn Minuten kommt Luci (23, hat schon selber 2 Kinder) auf die Idee, dass ich bei ihnen schlafen könne. Sie machen mir verständlich, dass ich hier in dem Rohbau schlafen könne, oder eine Dusche, Essen und ein Bett haben könne. Waou! Natürlich nehme ich an. Duschen fühlt sich immer grossartig an, speziell wenn man davor mehrere Nächte im Zelt und mehrere Tag auf dem Rad verbrachte. Das Essen bringen sie mir aufs Zimmer und ich schlafe wie ein Stein. Meine Meinung über Rumänien war gemacht, aber was soll ich jetzt noch über die Menschen hier sagen?

 

Route

Auf meiner geplanten Route werde ich zuerst die neuen EU-Staaten kennenlernen (Ungarn, Rumänien, Bulgarien), dann  in etwa zwei Monate die Türkei durchqueren. Danach führt meine Route durch den Iran und durch Pakistan worauf Indien folgt.

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